Die Hälfte der Berliner ist queer-feindlich

Berliner Morgenpost I Joachim Fahrun

46 Prozent sagen, es sollte nur Männer und Frauen geben

Der Berlin-Monitor 2023 der Senatsverwaltung für Integration hat nicht nur einen massiven Anstieg von Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und der Ablehnung der Demokratie unter der Berliner Bevölkerung ermittelt. Auch das Bild von der Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich gewandelt, viel mehr Menschen als bei der letzten vergleichbaren Umfrage vor zwei Jahren wollen Frauen wieder an Herd und Kindsbett sehen. Auch die viel diskutierten Fragen der Akzeptanz von queeren Lebensweisen gehen an vielen Menschen in der Stadt komplett vorbei.

Geschlechtliche Vielfalt wird in der selbst ernannten Queer-Hauptstadt von einer sehr starken Minderheit der Menschen abgelehnt. 49 Prozent sagen, queer zu sein, sei nur eine Mode. 46 Prozent stimmten der Aussage zu, in unserer Gesellschaft solle es nur Frauen und Männer geben. 39 Prozent halten Transgeschlechtlichkeit für unnatürlich. Selbst Leute, die nach eigener Einschätzung nichts gegen queere Menschen haben, handeln diskriminierend, wie der Studienautor Gert Pickel von der Universität Leipzig feststellte. 28 Prozent: Transgeschlechtlichkeit ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft 41 Prozent sind der Meinung, Homosexuelle sollten ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit zurückhalten. 37 Prozent finden es „ekelhaft“, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen. Aus Sicht von fast einem Drittel ist Homosexualität unnatürlich. 28 Prozent schätzen Transgeschlechtlichkeit als eine Gefahr für unsere Gesellschaft ein. Jeder Vierte findet, transgeschlechtliche Personen sollten nicht vor Diskriminierung geschützt werden.

Die Wissenschaftler führten den Zuwachs solcher Überzeugungen auch auf die vielen Krisen zurück. Der verbreitet mit dem Klimawandel oder dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verbundene Verschwörungsglaube sei „toxisch“ für die Demokratie, sagte Studienautor Pickel. Der Antisemitismus folge dem klassischen „Sündenbockprinzip“. Der antimuslimische Rassismus bilde eine Brückenideologie hin zu einem rechten Weltbild. „Muslimfeindlichkeit korreliert mit dem Wunsch nach einem Führer“, sagte der Professor.

Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) räumte ein, die „Wucht dieser Zahlen“ so nicht erwartet zu haben. Es gebe einen deutlichen Anstieg von „Rechtsaußen-Meinungen“. Deshalb sei es so wichtig, politisch gegenzusteuern. Sie verwies auf die zusätzlichen Millionen Euro, die der Senat für Demokratieförderung und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus und Rassismus bereitgestellt habe.

Mit der Initiative Forum Brückenbauer solle der Austausch mit den Religionsgemeinschaften und unter den Akteuren der Demokratieförderung verbessert werden. „Wir wollen Kontakte vermitteln und den Dialog fördern“, sagte Kiziltepe. Die Wissenschaftler haben auch nachgewiesen, dass antimuslimischer Rassismus zurückgehe, wenn die Menschen tatsächlich Muslime kennen und ihr Bild nicht nur aus Fernsehen und sozialen Medien bezögen.